Franz Radziwill
1895 Strohhausen/Rhodenkrichen – 1983 Wilhelmshaven
Ein Jahr nach der Gerburt Franz Radziwills zog seine Familie nach Bremen um. Dort machte er 1909-13 eine Maurerlehre und schrieb sich im Anschluss an der Höheren Technischen Staatslehranstalt in der Abteilung Baugewerkschule für Architektur und industrielle Formgebung ein. In seinen zwei Studienjahren dort machte er Bekanntschaft mit Künstlern der Künstlerkreise in Fischerhude und Worpswede. Vor allem zu Otto Modersohn (1865-1943), Heinrich Breling (1849-1914), Jan (1899-1969) und Olga Bontjes van Beek (1896-1995), Bernhard Hoetger (1874-1949), Fritz Mackensen (1866-1953), Fritz Overbeck (1869-1909) und Heinrich Vogeler (1872-1942) hielt er Kontakt. Er wandte sich durch diese Freundschaften mehr und mehr der Bildenden Kunst zu.
1915 musste er sein Studium unterbrechen und war als Sanitätssoldat in Russland, Frankreich und Belgien bis Kriegsende im Einsatz. Dabei geriet er in Frankreich in Kriegsgefangenschaft, aus der er 1919 nach Bremen zurückkehrte. Dort trat er der Künstlervereinigung „Der grüne Regenbogen“ bei, der auch Heinz Baden (1887-1954), Karl Dannemann (1896-1945) und Willy Menz (1890-1969) angehörten.
Er begann seine ersten druckgrafischen Arbeiten zu entwerfen. Er nimmt mit seinen Werken an seiner ersten Ausstellung im Salon von Maria Kunde in Hamburg teil.
Mit seiner Rückkehr begann seine Freundschaft mit dem Kunsthistoriker Wilhelm Niemeyer (1874-1960) und der Kunsthistorikerin Rosa Schapire (1874-1954). Durch sie bekam er ebenfalls Kontakt zu Karl Schmidt-Rottluff (1884-1976), Erich Heckel (1883-1970), Max Pechstein (1881-1955), George Grosz (1893-1959) und Otto Dix (1891-1969), der ihn dazu bewog Mitglied der Berliner Freien Sezession zu werden.
Um 1923 wandte er sich zunehmend vom Expressionismus ab und begann in seinen Werken nach einem neuen Realismus zu suchen. Im gleichen Jahr lernte er den Kunstmäzen Georg Düser kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte.
1925 bestückte er seine erste Einzelausstellung im Oldenburger Augusteum. Er begann mit seinen zahlreichen Studienreisen in die Niederlande, wo er regelmäßig den Kunsthändler Aaron „Jack“ Vecht (1886-1965) und den Maler („Thé“) Mattheus Josephus Lau (1889-1958) besuchte.
Den Kontakt zu anderen Künstlern und Künstlergruppen pflegte er ebenfalls weiter, sodass er ab Mitte der 1920er Jahre in Verbindung mit der Künstlervereinigung „Das Junge Rheinland“ stand, insbesondere mit Dix, Theo Champion (1887-1952) und Otto Pankok (1893-1966). Aber auch mit Heinrich Hoerle (1895-1936) und Jankel Adler (1895-1949), die der Gruppe progressiver Künstler zuzuordnen waren.
1927 unterhielt er für ein Jahr durch die Vermittlung von Dix ein Atelier an der Kunstakademie in Dresden.
Neben seinen Reisen in die Niederlande unternahm er ab 1928 zahlreiche Reisen nach Berlin, wo er Rudolf Schlichter (1890-1955) und Grosz besuchte. Dort begann er sich vor allem mit der Kunst der Romantik auseinander zu setzen. Caspar David Friedrich (1774-1840) und Carl Gustav Carus (1789-1869) spielten dabei eine besondere Rolle.
1929-30 nahm er an einer weiteren Ausstellung in Amsterdam teil: Neue Sachlichkeit. Kurz darauf trat er selbst der Novembergruppe bei und begann eine Zusammenarbeit mit dem Bildhauer Günther Martin (1896-1944). Anfang der 1930er Jahre bestückte er neben Champion, Adolf Dietrich (1877-1957), Hasso von Hugo (1897-1945), Alexander Kanoldt (1881-1939), Franz Lenk (1898-1968) und Georg Schrimpf (1889-1938) die Wanderausstellung „Die Sieben“.
1933 trat er der NSDAP bei. Er hielt währenddessen Kontakt zu der Berliner Ateliergemeinschaft Klosterstraße, bei der der Bildhauer Günther Martin als Obmann fungierte und die aus etwa 40 Künstlern verschiedener politischer Gesinnungen, wie unter anderem Käthe Kollwitz (1867-1945), Herbert Tucholski (1896-1984) und Bontjes van Beek, bestand. Gemeinsam lehnten sie die völkische Kunstauffassung des „Kampfbundes für deutsche Kultur“ ab. Mit ihrer ersten Ausstellung in Berlin starteten sie einen Versuch der Kunstopposition.
Im gleichen Jahr übernahm er die Nachfolge, des, seines Amtes enthobenen, Heinrich Campendonk (1889-1957) an der Düsseldorfer Kunstakademie.
1934 unterlag er selbst einer Diffamierungskampagne durch den NS-Studentenbund. Sein expressionistisches Frühwerk wurde als „Verfallskunst“ angeprangert. 1935 beschlagnahmte die Gestapo einige seiner Werke und entließen ihn aus seinem Amt. Er kehrte nach Dangast zurück, wo er sich 1923 ein kleines Fischerhaus gekauft hatte und baute dieses weiter aus.
Erst durch den Oldenburger Gauleiter Carl Röver, der dem Wunsch seines Nachbarn und Freund Radziwills Georg Düser folgte, wurde er künstlerisch rehabilitiert und zum Kreiskulturstellenleiter im Landkreis Friesland ernannt. Dieses Amt hatte er bis 1937 inne. In den gleichen Jahren reiste er als Gast der Kriegsmarine zu den Karibischen Inseln, nach Brasilien, Nordafrika, Spanien, Großbritannien und Skandinavien. Während dieser Reisen fertigte er einige Auftragsarbeiten für die Marine an.
1937 wurden knapp 275 seiner Werke als „entartet“ beschlagnahmt. Auf Grund dessen weigerte er sich an der Ausstellung „100 Jahre Deutsche Kunst“ in München teilzunehmen.
1939 wurde er als Soldat zur Westfront eingezogen. Wegen seines Alters wurde er zwei Jahre später vom Wehrdienst befreit und kehrte nach Dangast zurück, wo er einen Ersatzdienst bei der Luftschutzpolizei zu leisten hatte. 1944/45 wurde er zum Volkssturm einberufen und geriet dabei in englische Gefangenschaft, aus der er fliehen konnte.
1949 wurde er bei den Entnazifizierungsverfahren als „entlastet“ freigesprochen.
Ab 1950 begann er wieder zu reisen. Diesmal besuchte er vermehrt befreundete Künstler, wie Grosz, Otto Griebel (1895-1972), Otto Nagel (1894-1967) und Berthold Brecht (1898-1956), in der DDR.
1959 trat er der CIAFMA (Centre International de l’Actualité Fantastique et Magique) in Brüssel bei.
Anfang der 1960er Jahre begann er den Süden Europas zu bereisen und erhielt den Rompreis der Deutschen Akademie und verweilte als Ehrengast in der Villa Massimo in Rom.
1972 musste er schließlich wegen eines Augenleidens seine Malerei aufgeben.