Frauen erobern die Kunst

Sabine Lepsius. Selbstporträt. 1885. Öl / Leinwand. 83 x 63cm

Sabine Lepsius – Selbstporträt

Lilla Cabot Perry. Selbstporträt. um 1889-1896. Öl / Leinwand. 81 x 65cm

Lilla Cabot Perry – Selbstporträt

Denkt man an Kunst, dann denkt man an männliche Künstler, an Kunsthändler und -sammler. Das Frauen eine ebenso große Rolle in der Kunst gespielt haben und immer noch spielen, bleibt dabei meist unbemerkt. Durch aktuelle kunsthistorische Forschungen wird die Rolle der Frau in der Welt der Kunst neu aufgerollt.
Bei dem Gedanken an Frauen in der Kunst,
kommen einem zuerst Darstellungen von Frauen in den Kopf.
Im Portrait sind sie dabei der Darstellung von Männern beinahe gleichberechtigt. Neben Christus ist die Mutter Gottes wohl das häufigste Motiv in der abendländischen Kunstgeschichte. Frauen, die bei alltäglichen Szenen abgebildet wurden, waren dagegen selten.
Ab 1830 erfreute sich das Frauenbildniss einer großen Beliebtheit. Sie wurden teilweise zu einer göttlichen Verehrung emporgehoben und dementsprechend dargestellt.
Dennoch ist eine Übersicht dieser Darstellungen bis jetzt noch eher gering und ist im Beginn sich aufzubauen. Genauso die Aufstellung der Frauen als Künstlerinnen im Kanon.
Bis Mitte des 20. Jahrhunderts befanden sich Frauen als Künstlerin in einer Parallelwelt zu ihren männlichen Kollegen. Besonders die akademische Ausbildung war lange Zeit den Männern vorbehalten. Bei Frauen dagegen war es nur die Ausnahme. Die Académie royale in Paris war eine davon. Nicht nur die Ausbildungsstätten, sondern auch die Zünfte machten es den Frauen fast unmöglich sich in diesem Metier eigenständig zu bewegen. Lediglich als Malerwitwe konnten sie eine eigene Werkstatt eröffnen.
Vor 1800 gelang es nur 43 Malerinnen zu Hofkünstlern aufzusteigen, wovon Zweidrittel aus Künstlerfamilien stammten und ihnen so der Einstieg in die Welt der Kunst erleichtert wurde. Im 18. Jahrhundert kam vor allem in Frankreich das Phänomen der „malenden Amateurin“ auf. Meist besser gestellte Mädchen und junge Frauen erhielten für die gute Bildung Mal- und Zeichenunterricht. Bei Adrienne Marie Louise Grandpierre-Deverzy (1798-1869) zeigt diese Mode der Bildung anschaulich in ihrem Gemälde „Das Atelier des Abel de Pujol“ (1822), in dem sich zahlreiche Frauen der gehobenen Gesellschaft im Atelier des Malers gemeinsam weiterbilden. Da dieser Unterricht als Freizeitbeschäftigung angesehen wurde, konnten sie kritikfrei malen und bekamen für ihre Arbeiten Lob und Bewunderung.
Malende Frauen lassen sich, laut aktueller Forschung, schon in der Höhlenmalerei finden. In der Grotte Chauvet-Pont-d’Arc im Departement Ardèche in Frankreich, in der sich Malereien von ca. 40.000 v.Chr. befinden, weisen Handabdrücke darauf hin, dass der Großteil der Malereien von Frauen geschaffen wurden.
In der Antike werden ebenfalls der Großteil der Kunstwerke Männern zugesprochen, dabei sind kann auch hier nachgewiesen werden, dass viele Arbeiten von Frauen geschaffen wurden. Die Romanik bietet den Frauen ein neues Forum. Meist im Dienste der Religion werden Buchmalereien angefertigt, vermehrt in Frauenklöstern. Dort lassen sich auch aufkommende weibliche Förderer der Kunst finden. Die Äbtissinnen Mathilde II. (949-1011), Theophanu (997-1058) und Hildegard von Bingen (1098-1179) sind hier zu nennen.

Marie-Denise Villers. Porträt Marie Joséphine Charlotte du Val d'Ognes. 1801. Öl / Leinwand. 161 x 128cm

Marie-Denise Villers – Porträt Marie Joséphine Charlotte du Val d’Ognes

Adélaïde Labille-Guiard. Selbstporträt mit zwei Schülerinnen. 1785. Öl / Leinwand. 83 x 59cm

Adélaïde Labille-Guiard – Selbstporträt mit zwei Schülerinnen

Im Laufe der Epochen kommen nach und nach erste eigene Erfolge dazu.
Im Laufe des Jahrhunderts bis ins 19. Jahrhunderts kamen erste namentlich erwähnte Künstlerinnen hinzu, die die Kunst als Beruf ausübten. Meist als Miniatur- und Pastellmalerinnen.
Adélaïde Labille-Guiard (1749-1803) war eine von ihnen. An der königlichen Akademie in Paris nicht zugelassen besuchte sie die 1751 gegründete Académie de Saint-Luc in Paris, die zum Zeitpunkt ihrer Schließung 1776 4500 Mitglieder zählte, von denen 130 Frauen waren. Da ihre Werke im Pariser Salon abgelehnt wurden, stellte sie die Arbeiten bei Ausstellungen ihrer Akademie aus, sowie im 1779 gegründeten Salon de la Correspondance. Nach ihrem Abschluss eröffnete sie eine eigene Frauenschule für Malerei in Paris, wo sie unter anderem Marie Gabrielle Capet (1761-1818) und Marie-Thérese de Noireterre (1760-1819) unterrichtete.  Nach diesen Erfolgen wurde sie schließlich 1783 doch an der königlichen Akademie in Paris aufgenommen. Zeitgleich mit Elisabeth Vigée le Brun (1755-1842), die selbst als Hofmalerin der französischen Königin Marie-Antoinette Anfang der 1780er Jahre Künstlerinnen ,wie Marie-Guillemine Benoist (1768-1826) Malunterricht gab.
Das ausgebildete Künstlerinnen andere Frauen ausbildeten stellte keine Seltenheit dar. Vor allem in der gehobenen Gesellschaft wurden Frauen gerne als Kunstlehrerin für die Töchter gesehen. Sofonisba Anguissola (um 1531/32-1625) wurde zum Beispiel 1559 an den spanischen Königshof gerufen, um dort Philipp II. und seine Familie zu malen und die 14-jährige Elisabeth von Valois in der Malerei zu unterrichten. Angelika Kauffmann (1741-1807) gab den Töchtern der Königin von Neapel 1763/64 Zeichenunterricht an deren Hof.
In Frankreich änderte sich nach der Französischen Revolution 1789 die Teilnahmebedingung für den Salon de Paris. Beim ersten freien Salon 1791 wurden 21 Werke von Frauen ausgestellt. 1808 lag der Anteil bei 20%. 1835 bei 22%. Was als Zahl nach keiner großen Menge klingen mag, für die Zeit jedoch als fortschrittlich gesehen werden kann.
Ende des 19. Jahrhunderts eröffneten einige Damenakademien, die sich in ihrem Lehrbetrieb zwar an den königlichen Akademien orientierten, jedoch ohne staatliche Förderungen und monatliches Honorar betrieben wurden. Meist lehrten dort Künstler, die ihren Lebensunterhalt durch ihr anderweitiges Honorar sichern konnten, wie Anton Ažbe (1862-1905), Friedrich Fehr (1862-1927) und Paul Schultze-Naumburg (1869-1949). An solchen Akademien wurden unter anderem Gabriele Münter (1877-1962), Käthe Kollwitz (1867-1945) und Paula Modersohn-Becker (1876-1907) ausgebildet.
Die eigentliche Wende kam mit der Zeit der Moderne. Als ein wichtiger Förderer von Frauen in der Kunst ist hier Herwarth Walden (1878-1941) zu nennen. In seiner Sturmgalerie in Berlin, die er 1910 eröffnet hatte, bot er Künstlern unabhängig vom Geschlecht die Möglichkeit ihre Kunst auszustellen. Künstlerinnen wie Sonia Delaunay (1885-1979), Natalja Gontscharowa (1881-1962), Else Lasker-Schüler (1869-1945) und Marianne von Werefkin (1860-1938) kamen so zu großer Bedeutung.
Ab 1919 war an den meisten Akademien das Studium für Frauen möglich. An der Académie Julian in Paris konnten Frauen nun dieselben Klassen besuchen wie ihre männlichen Kollegen. Sogar die Aktklasse nach lebendem Nacktmodell wurde geöffnet. Einige konservativere Akademien verbaten Frauen jedoch den Besuch dieser Unterrichtseinheit, sodass die Académie Julian zusätzlich separate Damenklassen eröffnete.
Trotz Öffnung der Akademien wurden die Frauen auch weiterhin auf dem Gebiet der Kunst diskriminiert. Meist waren sie im Bereich des Kunsthandwerks tätig, da ihnen das gleiche Können wie Männern in anderen Disziplinen abgesprochen wurde. Am Bauhaus in Weimar zum Beispiel bestand die Keramikklasse, sowie die der Weberei hauptsächlich aus Frauen. Harmlose Sujets und Arbeiten wurden weiterhin der Frau zugesprochen.

Ellen Day Hale. Selbstporträt. 1885. Öl / Leinwand. 72 x 99cm

Ellen Day Hale – Selbstporträt

Marianne von Werefkin. Selbstbildnis. 1910. Tempera / Papier. 51 x 34cm

Marianne von Werefkin – Selbstporträt

Aktuell werden die Werke von Frauen immer mehr aufgearbeitet und erforscht, sodass nicht nur Künstlerinnen der vergangenen Zeiten, sondern auch moderne Künstlerinnen in Ausstellungen vertreten sind. Auch wenn der Anteil der Frauen in der künstlerischen Ausbildung meist größer ist als der der Männer, sind die Positionen im Kunstbetrieb noch nicht gleichberechtigt. Bezahlung und Repräsentation bleibt noch ein Vorteil der Männer. Durch Protestaktionen, wie denen der Guerilla Girls, die mit zahlreichen Performances und Plakaten, wie dem 1989 in New York aufgehangenen Plakat, das die Aufschrift „Do Women have to be naked to get into the Metropolitan Museum“ trug, wird darauf hingewiesen. Mit ihrem dreißigjährigen Schaffen haben sie es in diesem Jahr im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg zu der Ausstellung „The F* word. Guerilla Girls und feministische Grafikdesign“ geschafft.
Genauso eröffnen immer mehr Ausstellungen, die genau diese Aufarbeitung und Erforschung der Werke zeigen. 

Neben den Künstlerinnen waren aber auch Galeristinnen und Kunsthändlerinnen wichtig für den Erfolg der Frau in der Kunst. Sie leisteten nicht nur einen generellen Beitrag zur Verbreitung und Sammlung von avantgardistischer Kunst, sondern förderten auch gezielt Künstlerinnen. 

Berthe Weill (1865-1951) eröffnete 1901 die erste von einer Frau geleitete Galerie. Sie stellte viele Werke der Avantgarde aus, unter anderem fand in ihren Räumen 1917 die einzige Einzelausstellung von Amadeo Modigliani (1884-1920) statt. Im gleichen Zug förderte sie weibliche Talente und setzte sie den Männern gleich. Emilie Charmy (1878-1974), Hermine David (1886-1970), Alice Halicka (1894-1975) und Suzanne Valadon (1865-1938) zählten dazu. 
Johanna Ey (1864-1947), genannt Mutter Ey, wurde zum Mittelpunkt der Künstlergruppe „Das Junge Rheinland“ und versammelte in ihrer Galerie „Junge Kunst – Frau Ey“ junge Düsseldorfer Künstler und Künstlerinnen. Hanna Bekker vom Rath (1893-1983), selbst Malerin, organisierte bis 1943 in ihrer Berliner Wohnung heimlich Ausstellungen mit Kunst, die als „entartet“ verfehmt war. Nach Kriegsende eröffnete sie 1947 das „Frankfurter Kunstkabinett Hanna Bekker vom Rath“ und bot dort verfolgten und emigrierten Künstlern und Künstlerinnen eine Plattform. Ernst Wilhelm Nay (1902-1968), Marta Hoepffner (1912-2000), Willi Baumeister (1889-1955) und Erich Heckel (1883-1970) gehörten dazu. So leistete sie nicht nur während des Krieges eine Beitrag dazu Kunst zu erhalten. 
Eine genauso große Rolle bei dem Erhalt der von den Nationalsozialisten verfehmten Kunst spielte die Kunsthändlerin und -sammlerin Peggy Guggenheim (1898-1979). Sie eröffnete 1938 ihre Galerie „Guggenheim Jeune“ in New York, die sie 1939 wieder schließen musste. Mit ihrem Umzug nach Paris im gleichen Jahr begann sie Flüchtige des Vichy-Regimes in Frankreichs zu unterstützen. Unter anderem Max Ernst (1891-1976) und André Breton (1896-1966). Da sie selbst Jüdin war zog sie 1941 nach Manhattan und eröffnete dort 1942 ihre Galerie „Art of This Century“, wo sie weiterhin aus Europa emigrierte Künstler förderte. 

Von der Kunstwelt und der Kunstgeschichtsschreibung endlich beachtet, zeigt sich wie unersetzlich Frauen auch im Bereich der Kunst waren und sind. Nach all den Jahrhunderten können sie langsam ihren verdienten Platz in dieser Welt einnehmen und bekommen die Aufmerksamkeit und den Erfolg, der ihnen zusteht und den sie verdient haben. Sowohl als Künstlerin, sowie als Kunstvertreibende. 

Künstlerinnenliste

Eine Auswahl

A

Anni Albers
Lou Albert-Lasard
Irene Andessner
Sofonisba Anguissola

B

Harriet Backer
Marie Bashkirtseff
Gerlinde Beck
Marie-Guillemine Benoist
Charlotte Berend-Corinth
Tina Blau
Rosa Bonheur
Louise Bourgeois
Antonietta Brandeis
Louise-Catherine Breslau
Gisela von Bruchhausen
Elisabeth Büchsel

C

Miriam Cahn
Marie-Gabrielle Capet
Rosalba Carriera
Leonora Carrington
Maria Casper-Filser
Mary Cassatt
Judy Chicago
Camille Claudel
Hannah Cohoon

D

Hanne Darboven
Sonia Delaunay-Terk
Friedl Dicker-Brandeis
Suzanne Duchamp

E

Marie Egner
Elisabeth von Eicken
Tracey Emin
Lilli Engel
Elisabeth Epstein
Valie Export

 

 

 

 

F

Leonor Fini
Else Fischer-Hansen
Lavinia Fontana
Helen Frankenthaler
Helene Funke
Elisabeth Füßli

G

Artemisia Gentileschi
Isa Genzken
Marguerite Gérard
Ida Gerhardi
Nan Goldin
Natalia Gontscharowa
Dominique Gonzalez-Foerster
Adrienne Marie Louise Grandpierre-Deverzy
Katharina Grosse
Lea Grundig

H

Ilse Häfner-Mode
Else Haensgen-Dingkuhn
Alice Halicka
Grace Hartigan
Sella Hasse
Margareta Havermann
Jacoba van Heemskerck
Marta Hegemann-Räderscheidt
Maria von Heider-Schweinitz
Dörte Helm
Catharina van Hemessen
Barbara Hepworth
Carmen Herrera
Sheila Hicks
Sigrid Hjertén
Lily Hoeffke
Hannah Höch
Candida Höfer
Lilian Holt
Michaela Holzheimer
Georgiana Houghton

J

Nenna von Jecklin
Grete Jürgens

K

Frida Kahlo
Angelika Kauffmann
Georgia O’Keeffe
Ida Kerkovius
Hilma af Klimt
Friederike Koch von Langentreu
Käthe Kollwitz
Elaine De Kooning
Lee Krasner
Fifi Kreutzer
Charlotte von Krogh
Johanne Sibylla Küsel
Yayoi Kusama

 

 

L

Adélaïde Labille-Guiard
Else Lasker-Schüler
Käte Lassen
Maria Lassnig
Marie Laurencin
Tamara de Lempicka
Judith Leyster
Elfriede Lohse-Wächter

M

Margaret MacDonald Macintosh
Ida Maly
Jeanne Mammen
Teresa Margolles
Agnes Martin
Maria Sibylla Merian
Joan Mitchell
Paula Modersohn-Becker
Lucia Moholy
Marg Moll
Berthe Morisont
Jenny Mucchi-Wiegmann
Gabriele Münter

N

Alice Neel
Louise Nevelson
Jacoba Maria van Nickelen
Marie-Thérèse de Noireterre 

O

Meret Oppenheim
Gerta Overbeck
Vevean Oviette

P

Charlotte Park
Clara Peeters
Teresa del Pó
Emilie Preyer

 

 

R

Hedwig Ranafier-Bulling
Anita Rée
Bridget Riley
Marietta Robusti
Emy Roeder
Ottilie Roederstein
Alice Ronner
Henriette Ronner-Knip
Erna Rosenstein
Louise Rösler
Properzia de’Rossi
Rachel Ruysch

S

Niki de Saint Phalle
Charlotte Salomon
Ursula Sax
Lieselotte Schramm-Heckmann
Mara Schrötter-Malliczky
Margarete Schütte-Lihotzky
Ernestine Schultze-Naumburg
Amy Sherald
Cindy Sherman
Maria Slavona
Clara Siewert
Avery Singer
Winnaretta Singer
Renée Sintenis
Elisabeth Sirani
Milly Steger
Marianne Stokes
Elaine Sturtevant
Vivian Suter

T

Sophie Taeuber-Arp
Dorothea Tanning

V

Anne Vallayer-Coster
Suzanne Valadon
Marie Vassilieff
Élisabeth Vigée Le Brun

W

Kara Walker
Marianne von Werefkin
Clara von Wille
Olga Wisinger-Florian
Gretchen Wohlwill
Julie Wolfsthorn
Michaelina Woutiers

Z

Unica Zürn
Augusta von Zitzewitz