Franz Wilhelm Seiwert. Der Arbeiter. 1920-22. Öl / Leinwand.

Der Arbeiter

Franz Wilhelm Seiwert. Vier Männer vor Fabriken. 1926. Öl / Karton. 79 x 110cm

Vier Männer vor Fabriken

Franz Wilhelm Seiwert. Selbstbildnis. 1928. Öl / Leinwand. 79 x 50cm

Selbstbildnis

Franz Wilhelm Seiwert. Der Gärtner. um 1929/30. Öl / Holz. 61. 38cm

Der Gärtner

Franz Wilhelm Seiwert. Demonstration. 1925. Öl / Leinwand. 68 x 89cm

Demonstration

Franz Wilhelm Seiwert

1894 Köln – 1933 ebenda

Franz Wilhelm Seiwert zählte als Mitbegründer der Künstlergruppe „Kölner Progressive“ zu den wichtigsten Wegbereitern der konstruktivistischen und sozialistischen Kunst in Deutschland. 

Schon früh wurde sein Lebensweg und seine künstlerische Themenwahl durch einen Unfall beeinflusst. Mit sieben Jahren erlitt er durch ein Röntgenexperiment zur Behandlung seiner Schorferkrankung schwere Verbrennungen und eine unheilbare Wunde am Kopf. Zeit seines Lebens musste er eine Perücke tragen. Auch beschäftigte ihn, auf Grund seines eigenen schweren Weges, das Leiden der Menschen in seiner Kunst am Meisten.
Die Katholische Jugend wurde für ihn ein wichtiger Anlaufpunkt. Geprägt durch seine christlich-konservativen Eltern und seine Erkrankung suchte er Schutz und Hilfe im Glauben. Sein Frühwerk ist daher auch oft sakral orientiert.
1910 schrieb er sich an der Kunstgewerbeschule in Köln für das Fach Architektur ein. Während dieser Zeit begleitete er häufig den befreundeten Kunststudenten Hubert Nöthen (1887-1917) zu Restaurierungsarbeiten in rheinischen Kirchen. Durch diesen erhielt er auch die ersten Einblicke in die Avantgardistische Kunst und besuchte mit ihm die Sonderbund-Ausstellung 1912 in Köln, die ihn in seinem Schaffen weitreichend inspirierte.
1913 begann er bei dem Architekten Clemens Klotz (1886-1969) zu arbeiten.
Während des Ersten Weltkrieges wurde er auf Grund seiner Kopfwunde ausgemustert und nicht zum Kriegsdienst eingezogen. Für Seiwert sehr passend, da er eine pazifistische Haltung einnahm und politisch nicht hinter den Kriegshandlungen stand. Ab 1916 nahm er an der, vom Ehepaar Käthe (1891-1989) und Carlo Oskar Jatho (1884-1971) veranstalteten Kultur-Vortragsreihen teil, die sich gegen den Krieg richteten. Durch seine regelmäßige Teilnahme wurde er schnell Mitglied der Gruppe. Der ganze „Jatho-Kreis“ setzte sich hauptsächlich aus Menschen der Intellektuellenszene zusammen, sodass er schnell Kontakte zu anderen aufstrebenden Künstlern bekam. Unter anderem Otto Freundlich (1878-1943), der ihn in seinem Schaffen stark beeinflusste und ihm weitere Kontakte zu anderen einflussreichen Personen in der Kunst- und Kulturszene vermittelte. Der Berliner Verleger Franz Pfemfert (1879-1954) war einer davon.
Neben diesen Kontakten erhielt er durch den „Jatho-Kreis“ weitere Anregungen für seine Kunst durch dort diskutierte religiöse, philosophische und weltliche Werke der Literaturgeschichte. Besonders prägend waren Texte von Karl Marx (1818-1883) und Rosa Luxemburg (1871-1919), die ihn zu zentralen Themen seiner Arbeit inspirierten. Dazu zählten marxistische Termina, wie Klassengesellschaft, Ausbeutung der Arbeitergesellschaft und deren Elend und Unterlegenheit.
Seine erste Ausstellung erhielt er ebenfalls durch den „Jatho-Kreis“ 1916, bei der expressionistische Graphiken ausgestellt wurden. Er trug zu dieser Ausstellung eine Christusbüste bei, die bei dem Publikum Begeisterung auslöste und er so seinen ersten Auftrag durch die Frauenrechtlerin Mathilde von Mevissen (1848-1924) erhielt, die ihn beauftragte die Kuppel ihres Kölner Wohnhauses auszumalen.
Ab 1917 wandte er sich vermehrt pazifistisch-kommunistischen Künstlerbewegungen zu, die durch den „Heldentod“ seines Freundes Nöthen im Krieg ausgelöst wurde. Seiwert zählte schnell zu den wichtigsten Agitatoren der Strömung im Rheinland. Im gleichen Jahr veröffentlichte er erste Grafiken in Pfemferts antimilitaristischer Zeitschrift „Die Aktion“. Auf Grund der Teilnahme an dieser Zeitschrift wurde er nach Kriegsende 1919 Mitglied in dessen „Antinationaler-Sozialistischer -Partei“ und Mitbegründer der Kölner Abteilung des Berliner „Arbeitsrates für Kunst“.
1921 trat er der „Allgemeinen Arbeiter-Union“ bei.
In dieser Zeit begann er sozial- und kulturrevolutionäre, teils anarchistische Pamphlete in sozialistischen Zeitschriften zu veröffentlichen. Dort forderte er zur Auflehnung des „versklavten“ Proletariats gegen die kapitalistisch Konsumgesellschaft und zur Selbstäußerung der Bevölkerung auf. Kulturpolitisch wollte er einen Übergang von der „überkommenen“ bürgerlichen zur von ihm als „wahrhaftig“ propagierten proletarischen Kunst.
1919 begann er mit Heinrich Hoerle (1895-1936), Max Ernst (1891-1976) und Joseph Smeets (1893-1925) an der linksradialen satirischen Zeitschrift „Der Ventilator“ zu arbeiten. Ausgangspunkt für diese Arbeit war die Kölner Dada-Bewegung, von der sich Seiwert schnell wieder distanzierte.
Als Gegenbewegung gründete er mit Hoerle, mit dem er bis zu einem Streit 1930 eng befreundet war, Anton Räderscheidt (1892-1970) und deren Ehefrauen die „Neukölnische Malerschule“, die sich an mittelalterlichen Vorbildern orientierte. In der Öffentlichkeit traten sie gemeinsam als „Gruppe stupid“ auf. Sie gelten als Vorläufer der „Kölner Progressive“. Ähnlich wie der „Jatho-Kreis“ als Keimzelle der 1919 gegründeten „Kalltalgemeinschaft“ galt. Einen durch das Ehepaar Jatho und Seiwert in Simonskall gegründete Gemeinschaft, die sich nicht nur künstlerisch, sondern auch lebenstechnisch auswirkte. Ab 1919 lebten die Drei in einem alten Junkerhaus, das den Jathos gehörte, als Lebens- und Arbeitsgruppe, die um einen einfachen Lebensstil bemüht war. Gemeinsam gründeten sie den Verlag „Kalltalpresse“. Dort sollten kulturtheoretische Essays veröffentlicht werden, die mit Grafiken illustriert werden sollten. Die meisten Schriften lagerten sie jedoch zu anderen Druckereien aus. Eine der einzigen dort gedruckten Ausgaben war die Graphik Mappe Seiwerts „Die Welt zum Staunen“.
Auch wirkte er mit an der Zeitschrift „Der Strom“, die von Karl Nierendorf (1889-1947) bis 1919 herausgegeben wurde.
1920/21 kehrte er nach Köln zurück und gründete dort mit Hoerle und Gerd Arntz (1900-1988) die Künstlergruppe „Kölner Progressive“. Gemeinsam entwickelten sie eine neue Formensprache als Ausdruck der proletarischen Kultur, die sozialistische Themen aufgriff. Um die Mitte der 1920er Jahre ergänzten fotografische Arbeiten, unter anderem von August Sander (1876-1964), das künstlerische Œuvre der Gruppe. Ihre Werke stellten sie immer gemeinsam aus, unter anderem 1926 in der Richmond-Galerie in Köln und 1928 in der Ausstellung deutscher Kunst in Düsseldorf.
Seiwerts Kunst nach dem Ersten Weltkrieg kann vor allem dem expressionistisch-kubistischen Stil zugeordnet werden. Um 1920/21 kam eine immer mehr gegenständlich-konstruktivistische, teils am Mittelalter angelehnte Formensprache hervor. Auch wechselte er in dieser Zeit handwerklich vom Holz- zum Linolschnitt, sodass er feinere Linien in seinen Werken ziehen konnte.
1921 unternahm er seine erste Reise nach Berlin, wo er in Kontakt mit dem Künstlerehepaar Margarete (1891-1984) und Stanislaw Kubicki (1889-1943) kam. Ein Jahr darauf nahm er am internationalen Kongress neuer fortschrittlicher Künstler“ in Düsseldorf teil. Dort befreundete er sich mit László Moholy-Nagy (1895-1946) und El Lissitzky (1890-1941), die ihn mehr und mehr zur Abstraktion führten.
Im gleichen Jahr besuchte er die „1. Russische Kunstausstellung“ in Berlin. Dort lernte er Werke von Kasimir Malewitsch (1879-1935), Wladmiri Tatlin (1885-1953) und Alexander Rodtschenko (1891-1956) kennen, die ihm den russischen Konstruktivismus näher brachten.
Auch nahm er nun gemeinsam mit Hoerle Aufträge für Reklame für die Kölner Architekten Wilhelm Riphahn (1889-1963) und Caspar Maria Grod (1878-1931) an.
1926 reiste er nach Paris zu Freundlich. Im Jahr darauf kehrte er nochmal nach Paris zurück und reiste dann weiter nach Chartres, wo er Fernand Léger (1881-1955) und Constantin Brancusi (1876-1957) kenne lernte. Nach Brancusis Skulptur „Der Kuss“ (1907/08) entwarf Seiwert den Grabstein seiner Mutter.
1928 begann er gemeinsam mit Arntz, Sander und Lissitzky an Werken für die Internationale Presse-Ausstellung in Köln zu Arbeiten, bei denen er Augustin Tschinkel (1905-1983) kennen lernte.
„a bis z“ war eine weitere Zeitschrift die der Künstler im Verbund mit den „Kölner Progressiven“ gründetet. In dieser veröffentlichte er philosophische Artikel.
Ab Ende der 1920er Jahre beschäftigte er sich wieder vermehrt mit Architektur und als neues Medium auch mit der Glasmalerei. 1931 entwarf er ein Fenster für das Kunstgewerbemuseum in Köln.
1933 erlag er einer Verschlechterung seiner Kopfwunde.