Friedl Dicker-Brandeis
1898 Wien – 1944 Auschwitz
Das Werk der jüdischen Künstlerin Friedl Dicker-Brandeis ist trotz ihrer Vergangenheit als Künstlerin des Bauhauses durch ihre Ermordung während der Shoa in Vergessenheit geraten und wird nun mit der Zeit immer mehr aufgearbeitet.
Ihre pädagogische Tätigkeit vor Beginn der Shoa, vor allem aber während ihrer Inhaftierung im Konzentrationslager Theresienstadt prägen ihr Werk und ihr Wirken.
In Wien geboren, wuchs sie in einem bürgerlich-jüdischen Elternhaus auf. Schon früh entdeckte sie ihre Vorliebe für die Kunst und begann bereits während ihrer Schulzeit Marionetten für Puppenspiele anzufertigen und sich so etwas Geld zu verdienen.
1912-14 machte sie eine Lehre für Fotografie und Reproduktionstechnik an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien. Im Anschluss besuchte sie die Textilklasse von Franz Cizek (1865-1946) an der Wiener Kunstgewerbeschule.
1916 wechselte sie an die private Kunstschule von Johannes Itten (1888-1967) in Wien.
Nachdem dieser 1919 eine Stelle am Bauhaus in Weimar angetreten hatte, folgten ihm die meisten seiner Wiener Schüler, die auch als „Wiener Gruppe“ bekannt waren.
Dicker-Brandeis widmete sich in dieser Zeit vor allem druckgrafischen Arbeiten und Illustrationen. Die erste Zeitschrift, an der sie mit diesen Werken beteiligt war, war das programmatische Magazin des Bauhauses „Utopia“.
1921 erhielt sie als einzige Studentin ein Stipendium, das ihr ermöglichte bis zu ihrem Abschluss 1923 am Bauhaus weiter zu studieren.
Der Zusammenhalt der „Wiener Gruppe“ blieb auch nach der Studienzeit bestehen.
Friedl Dicker-Brandeis ging mit einem der Gruppen-Mitglieder Franz Singer (1896-1954) sowohl eine Arbeits-, als auch eine Liebesbeziehung ein. Gemeinsam gründeten sie 1923 die „Werkstätten Bildender Künste“ in Weimar. Mit diesem Atelier kehrten sie drei Jahre später nach Wien zurück und gestalteten es um zu einem Atelier für Architektur- und Innenraumdesign.
1931 löste sich diese Bindung trotz erfolgreicher Arbeit auf Grund ihrer komplizierten persönlichen Beziehung auf. Als Affäre Singers, der bereits Frau und Kind hatte, konnte sie ihre Familienplanung nicht zu ihrer Zufriedenheit und ihrem Glück ausleben. Zahlreiche Schwangerschaftsabbrüche und die Degradierung als nicht gleichwertige Partnerin, entschied sie sich für einen eigenständigen Arbeitsweg mit der Folge, dass sie direkt nach der Auflösung des gemeinsamen Ateliers ein eigenes eröffnete. Hauptsächlich widmete sie sich ab diesem Zeitpunkt dem Mal- und Zeichenunterricht von Kindern und Jugendlichen.
In den 1930er Jahren trat sie der KPD bei. Das Gestalten propagandistischer Plakate folgte. 1932 wurde sie das erste Mal verhaftet, nach zwei Wochen jedoch wieder freigelassen.
Die zweite Verhaftung folgte 1934, nachdem die Partei 1933 in Österreich per Gesetz verboten wurde. Die Gemäldeserie „Verhör“ entsteht, in der sie ihre Inhaftierungen verarbeitete.
Nach ihrer zweiten Freilassung emigrierte sie nach Prag zu Verwandten. Im Kreis um die antifaschistische Buchhandlung „Schwarze Rose“, zu dem zahlreiche zwischen 1933-45 in die Tschechoslowakei emigrierte Künstler gehörten, war sie weiterhin politisch aktiv.
Kurz nach ihrer Ankunft in Prag heiratete sie ihren Cousin Pavel Brandeis und erhielt so die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft.
1938 folgte ein Visum für die Ausreise nach Palästina. Da ihr Ehemann jedoch keines erhielt, schlug sie ihr eigenes aus. Gemeinsam emigrierten sie im gleichen Jahr nach Böhmen. 1939 wurden Böhmen und Mähren jedoch durch deutsche Truppen besetzt. Das Paar musste erneut fliehen. Nach drei Jahren auf der Flucht wurden sie schließlich verhaftet und in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Die Künstlerin wurde dort wegen ihrer kunstpädagogischen Vergangenheit für den Mal- und Zeichenunterricht für Kinder in den Mädchen- und Knabenheimen des Lagers eingeteilt.
Das Lager Theresienstadt wurde zu Propagandazwecken so umgestaltet, dass den dort inhaftierten Menschen vermeintlich kulturelle Angebote, wie Konzerte, Lesungen, Theaterstücke und Ausstellungen gemacht wurden. Auch die Struktur des Lagers erweckte für Propagandazwecke nach außen hin den Eindruck eines vermeintlich häftlingsfreundlichen Lagers, sodass neben kulturellen ebenfalls schulische Angebote gemacht wurden. All dies natürlich, wie bei allen anderen Lagern des nationalsozialistischen Regimes auch, unter menschenunwürdigen und widrigen Umständen.
1944 sollte Pavel Brandeis nach Auschwitz deportiert werden. Aus Angst alleine in Theresienstadt zurück zu bleiben, folgte sie ihrem Mann. Kurz nach ihrer Ankunft wurde das Ehepaar Brandeis ermordet. Vor ihrer Deportation dorthin konnte Friedl Dicker-Brandeis jedoch alle Kinderzeichnungen der Theresienstädter Kinder aus ihrem Unterricht, sowie ihre eigenen einem Lagererzieher übergeben, der diese nach Kriegsende und Rettung des Lagers der jüdischen Gemeinde in Prag übergab und so ein wichtiges Zeitzeugnis der jüdischen Gemeinde erhalten konnte. Vor allem die Kinderzeichnungen zeigen das Leben der jüdischen Kinder innerhalb des Lagers und ihre Erinnerung an eine Welt vor der Shoa.