Otto Ritschl
1885 Erfurt – 1976 Wiesbaden
„Ich bin Maler und für mich stehen meine Bilder“ (Otto Ritschl)
Anfangs Schriftsteller und Autor von Theaterstücken fand Otto Ritschl nach dem Ersten Weltkrieg ganz zur Malerei. Er kündigte seine Arbeit, wandte sich von der Literatur ab und war ab diesem Zeitpunkt als freischaffender Maler tätig.
Trotz alleiniger autodidaktischer Fähigkeiten, oder vielleicht auch grade deswegen, hatte er schnell großen Erfolg mit seinen Werken. Bei seiner ersten Ausstellung im Nassauischen Kunstverein im Museum Wiesbaden verkaufte er so gut wie jede seiner präsentierten Arbeiten.
Schnell wurde er Wiesbadens wichtigster Künstler der Avantgarde der 1920er Jahre. Der Sammler Heinrich Kirchhoff (1874-1934) verhalf ihm zu engem Austausch mit der Wiesbadener Künstlerszene. Conrad Felixmüller (1897-1977) und Alexej Jawlensky (1864-1941) gehörten zu den Künstlern, mit denen er aus diesem Kreis am meisten Kontakt hatte. 1925 porträtierte er auch Jawlenskys Assistentin Lisa Kümmel.
Im gleichen Jahr gründete er in Wiesbaden die Freie Künstlerschaft, deren Vorsitz er bis 1933 innehatte. Mit dieser Gemeinschaft konnte er zahlreiche Künstler, wie Alo Altripp (1906-1991), Arnold Hensler (1891-1935) und Ernst Wolff-Malm (1885-1940), auch über die Stadtgrenze hinaus in einem Netzwerk verbinden.
Ebenfalls 1925 nahm er an der Ausstellung „Neue Sachlichkeit“ in Mannheim teil. Er war jedoch von dieser Ausstellung und der dort dargebotenen Kunst so enttäuscht, dass er sich ab diesem Zeitpunkt immer mehr von dieser Kunstrichtung abwandte und in seinen Arbeiten vermehrt mit Abstraktion experimentierte.
Zum Ende der 1920er Jahre zog er nach Paris, wo er durch den Kontakt zu Pablo Picasso (1881-1973), Max Ernst (1891-1976) und den Kunsthändler Wilhelm Uhde (1874-1947) vertrauter mit den französischen Kunstströmungen wurde und sich nun in seinen Arbeiten zusätzlich davon inspirieren ließ.
1933 veranstaltete das Folkwang Museum in Essen eine Ausstellung mit der Kunst der Avantgarde. Diese fand jedoch ein jähes Ende durch Beschränkungen und Verbote der grade an die Macht getretenen Nationalsozialisten. Für Ritschl war dieser Ausstellungsabbruch ein einschneidendes Erlebnis. Er begann sich immer mehr zurück zu ziehen und stellte seine Malerei bis Kriegsende fast vollständig ein.
Mit Kriegsbeginn 1939 wurde er bei dem Wiesbadener Finanzamt dienstverpflichtet. Seine Werke wurden zum größten Teil bei einem Luftangriff zerstört. Andere Werke, die dabei etwas in Mitleidenschaft gezogen wurden, zerstörte er selbst im Anschluss.
Nach Kriegsende entschied er sich für einen kreativen Neustart und widmete sich wieder der Malerei. Der Anschluss an die Kunstszene fiel ihm nicht schwer, sodass er seine Arbeiten wieder vermehrt ausstellen konnte. So lernte er auch Künstler, wie Ernst Wilhelm Nay (1902-1968), Willi Baumeister (1889-1955), Max Ackermann (1887-1975), Georg Meistermann (1911-1990) oder Fritz Winter (1905-1976) kennen. Die Kunstsammler Ottomar Domnick (1907-1989) und Hanna Bekker vom Rath (1893-1983) verhalfen ihm zu weiteren Kontakten und er trat 1948 der Rheinischen Sezession bei.
Ebenso wie mit Künstlern fand er nun auch schnell Anschluss bei verschiedenen Künstlerbünden. So stellte er unter anderem mit der Gruppe ZEN aus.
1959 war er auch auf der documenta II in Kassel vertreten.
Zum Ende seiner Schaffensphase blieb er jedoch nicht bei der Malerei. Nach dem Tod seiner Frau 1958 ließ er sich von dem Architekten Johann Wilhelm Lehr (1893-1971) ein Haus errichten, das in seiner Ausführung und Einrichtung in enger Zusammenarbeit mit ihm selbst entworfen und ausgestattet wurde. Ein Gesamtkunstwerk entstand. 1987 wurde dieses jedoch abgerissen und musste anderen Bauten weichen.
Otto Ritschl war mit seinem Schaffen und seiner Kunst ein Netzwerker innerhalb der Künstlerschaft. Er brachte nicht nur Inspiration für nachfolgende Generationen, sondern verband auch Künstler verschiedener Strömungen innerhalb der Avantgarde.