Rudolf Schlichter. Portrait von Geza von Cziffra. 1926/27. Öl / Karton.

Portrait von Geza von Cziffra

Rudolf Schlichter

1890 Calw – 1955 München

Rudolf Schlichter gilt als einer der wichtigsten Vertreter des Verismus und der Neuen Sachlichkeit.

1904 begann er seine Lehre als Porzellanmaler in Pforzheim. Im Anschluss besuchte er ab 1907 die Kunstgewerbeschule in Stuttgart. Währenddessen bereitete er sich in der Karlsruher Malerschule von Ludwig Wilhelm Plock (1878-1940) auf die Kunstakademie vor. Dort studierte er von 1910-16 unter Walter Georgi (1871-1924), Caspar Ritter (1861-1923), Walter Conz (1872-1947), Wilhelm Trübner (1851-1917) und Hans Thoma (1839-1924). Während dieser Zeit lernte er an der Akademie Willi Egler (1887-1953), Egon Itta (1890-1971), Willi Müller-Hufschmid (1890-1966) und Wladimir Lukianowitsch Zabotin (1884-1967) kennen. Er wandte sich in der Studienzeit mehr und mehr den zeitgenössischen Bohème-Idealen zu. Nach einigen Studienreisen nach Italien und Frankreich besuchte er 1910 das erste Mal Berlin und seinen Bruder Max Schlichter, der dort als Koch arbeitete.
Durch Julius Kaspar (1888-1922) kam er mit dem Rotlichtmilieu in Kontakt und entdeckte seine Faszination dafür. Bis zu seiner Hochzeit 1927 mit Elfriede Elisabeth Koehler (1902-1975) wohnte er häufiger mit Prostituierten zusammen.
Er begann unter dem Pseudonym Udo Rètyl pornografische Grafiken anzufertigen, die unter anderem von Thoma gekauft wurden.
Nach Ende des Ersten Weltkrieges stellte er das erste Mal in der Galerie Iwan Moos in Karlsruhe aus. Außerdem gründete er gemeinsam mit anderen Absolventen der Kunsthochschule die „Gruppe Rhi“. Gemeinsam versuchten sie die Konventionen der Kunst mit provokanten Aktionen zu überwinden. Unter anderem malten sie als Wegweiser zu Ausstellungen Phallussymbole mit Kreide an Hauswände. Die Gruppe bestand allerdings nur ein Jahr. Zu den Mitgliedern gehörten unter anderem Zabotin, Georg Scholz (1890-1945), Eugen Segewitz (1885-1952), Walter Becker (1893-1984), Itta und Oskar Fischer (1892-1955).
Im gleichen Jahr siedelte er nach Berlin über. Dort schloss er sich der Novembergruppe, der Berliner Sezession und den Berliner Dadaisten an. Er stellte in dem, von seinem Bruder neugegründeten, Restaurant „Schlichter“ aus, das bei der Kulturszene der Stadt beliebt war. So erlangte er größere Bekanntheit und konnte Kontakte zu anderen Künstler, wie John Heartfield (1891-1968) und George Grosz (1893-1959) knüpfen. Mit diesem teilte er sich eine zeitlang ein gemeinsames Atelier. Sie bildeten häufig die gleichen Modelle ab. Auch andere bekannte Persönlichkeiten lernte er dort kennen. Unter anderem Berthold Brecht (1898-1956), Fritz Sternberg (1895-1963), Alfred Döblin (1878-1957) und Geza von Cziffra (1900-1989).
1920 bekam er seine erste Einzelausstellung in der Galerie Burchard. Er nahm an der Ersten Internationalen Dada-Messe teil. Neben seinem künstlerischen Einsatz, engagierte er sich auch politisch. 1919 trat er unter anderem der KPD bei.
Nach einem Zerwürfnis mit anderen Mitgliedern der Novembergruppe gründete er 1924 die Rote Gruppe, die in Opposition zur Novembergruppe stand. Im gleichen Jahr beteiligte er sich an der ersten deutschen Kunstausstellung in der UdSSR.
Im Jahr darauf bestückte er die Ausstellung „Neue Sachlichkeit“ in der Kunsthalle in Mannheim.
Anfang der 30er Jahre wandte er sich allerdings zusehends von der Berliner Avantgarde ab und dem Katholizismus und den Nationalisten hin. Kurz nach der Machtübernahme Hitlers sympathisierte er auch mit der nationalsozialistischen Partei. Als diese jedoch seine autobiografischen Bücher verbot, fertigte er regimekritische Werke an, sodass er aus der Reichsschrifttumskammer 1934 ausgeschlossen wurde.
1937 wurde ein Teil seiner Werke als „entartet“ eingestuft. 1938 wurde er schließlich aus der Reichskammer der Bildenden Künste ausgeschlossen und wegen „unnationaler Lebensführung“ denunziert. Er kam für drei Monate in Untersuchungshaft.
1939 zog Schlichter nach München um. Dort lernte er Hans Scholl (1918-1943) kennen. Er beteiligte sich mit einem seiner Werke an der Großen Deutschen Kunstausstellung in München. 1942 wurde der Künstler ausgebombt, sodass ein Großteil seiner Werke verloren ging.
Nach Kriegsende nahm er an der 1. Allgemeinen Deutschen Kunstausstellung in Dresden teil.
Ebenso gehörte er zu den Mitbegründern der „Neuen Gruppe“, ein Zusammenschluss verschiedener Bildender Künstler in München.
1954 nahm er schließlich an der Biennale in Venedig teil. 

Schlichter stellte Zeit seines Lebens eine widersprüchliche Person dar. In seinem Werk verarbeitete er die zahlreichen künstlerischen, sozialen und ideologischen Umbrüche seiner Zeit. Sein Stilmittel entsprach meist dem Zeitgeschmack, sodass er in den 1910er Jahren präzise Zeichnungen anfertigte. In den 1920er Jahren Sittenbilder und sich in den 1930er Jahren mit traditionellen Landschaften anpasste. Nach dem Krieg kamen surrealistische Arbeiten hinzu.
Besonders seine Portraits sind charakteristisch für ihn. Dort bildete er meist ihm bekannte Personen detailgetreu und präzise ab.
Neben seinem malerischen Werk war Schlichter auch literarisch tätig.
Noch heute sind seine Werke geschätzt und gefragt.