Otto Griebel

1895 Meerane – 1972 Dresden

Das Vagabundenmahl

Aquarell auf Papier     48 x 68,8 cm

Signiert, Datiert und Betitelt. Otto Griebel. Die Vagabunden. 1931

WVZ B230

Ausgestellt in: 1. Ausstellung der Dresdner Sezession im Sächsischen Kunstverein vom 1.9. bis 15.10.1932, KatNr. 52

 

“Meine Tendenz ist die Wahrheit der Unbeugsamkeit und des festen Glaubens an eine anständige menschliche Gesellschaft.”

Otto Griebel zählt zu den wichtigsten Dresdner Protagonisten des Verismus und des kritischen Realismus der 1920er Jahre. 1909 beginnt er sein Studium an der Königlichen Zeichenschule und Königlichen Gewerbeschule und lernt dort Otto Dix, Bernhard Kretzschmar und Erich Fraaß kennen. Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg wird der Maler 1919 Meisterschüler des Robert Sterl an der Dresdner Kunstakademie. Dort studiert er zusammen mit Oskar Kokoschka. Mit seinem Beitritt in die neu gegründete Kommunistische Partei im gleichen Jahr, lernte er Erwin Schulhoff kennen und durch ihn die Ideen des Berliner Dadaismus. Otto Griebel gehörte allerdings nicht nur der Kommunistischen Partei an, sondern war ebenfalls Mitglied in einigen politischen Gruppierungen, wie der “Novembergruppe” und “ Das junge Rheinland”. Seine gesamte Arbeit ist also geprägt von einer betont sozialkritischen und politischen Haltung. Nach Machtübernahme der Nationalsozialisten stellte er seine Arbeit fast gänzlich ein und widmetet sich hauptsächlich der Landschaftsmalerei. Nach Ende des Krieges greift er wieder das Thema der sozialen – und Typenporträts auf und widmet sich so wieder der Motivik der Vorkriegszeit, wie “Das Vagabundenmahl”. Landstreicher, Vagabunden und Tagelöhner.

“künstlerische Entsprechung zu seiner revolutionären Empfindung”

Das vorliegende Aquarell zeigt die künstlerische Bearbeitung dieser Motivik im Oeuvre Otto Griebels – die Darstellung der sozialen Verhältnisse gesellschaftlicher Grenzgänger. Mehrere Männer, auf einer Wiese wohl während einer Arbeitspause beieinandersitzend, um ihr einfaches Mahl einzunehmen und Pfeife zu rauchen, sind nicht im Gespräch oder interagieren miteinander. Jeder Einzelne ist für sich, seinen Gedanken nachhängend und müde ins Leere blickend. Nur zwei von ihnen blicken nach vorn aus dem Bild hinaus, scheinbar etwas beobachtend. Der Betrachter füllt die Lücke im Kreis um das aufgeteilte Brot, als würde er ein Stück entfernt sitzen und an der Runde teilnehmen. Es herrscht eine Stimmung von Apathie, Erschöpfung und Abgekämpftheit, aber es schwingt auch ein Gefühl von Gemeinschaft und ein gewisses Wohlwollen mit den Dargestellten mit. In Aufzeichnungen des Künstlers, die im Erinnerungsbuch "Ich war ein Mann der Straße" zusammengetragen sind, benennt Otto Griebel die Dargestellten als Hilfsarbeiter der Dresdner Vogelwiese. Das zugrundeliegende Manuskript des Künstlers bringt diese Textstelle in unmittelbare Beziehung zur Entstehung des "Vagabundenmahls".

Literatur:
Porstmann, Gisbert/ Schmidt, Johannes (Hg.): Otto Griebel. Verzeichnis seiner Werke, Bielefeld, 2017
Dalbajewa, Birgit (Hg.): Neue Sachlichkeit in Dresden, Staatliche Kunstsammlungen Dresden / Galerie Neue Meister, Dresden, 2012
Griebel, Otto: Ich war ein Mann der Straße. Lebenserinnerungen eines Dresdner Malers, Altenburg, 1995